SEAcamp Hannover 2019 – Recap

Auch dieses Mal war Projecter beim SEAcamp dabei – Annalena und Pia machten sich auf den Weg nach Hannover, um Branchennews zu diskutieren und die neusten Erkenntnisse mit in den Agenturalltag zu nehmen. Wie gewohnt wurde um die Themenslots gepitcht, sodass am Ende 18 Sessions und ein großes Diskussionspanel besucht werden konnten. Pünktlich zum Jahreswechsel gibt es jetzt also die geballte Ladung Insiderwissen – auf dass 2020 mit einer brillanten Performance glänzen wird!
Auffällig waren die vielen eingereichten Themen rund ums Tracking, nach DSGVO und ePrivacy-Verhandlungen auch kein Wunder. Denn immer noch herrscht Unsicherheit bei Werbetreibenden und deren Agenturen: Was darf man, was nicht – und wie lange noch? Auch beim SEAcamp gab es hierauf keine klaren Antworten, aber immerhin etwas mehr Durchsicht. Da das Diskussionspanel, welches den Tag gegen 17:30 Uhr abrundete, die Quintessenz dieser Sessions zusammengefasst hat, zäumen wir das Pferd also dieses Mal von hinten auf.

Diskussionspanel: Webtracking & Google Analytics in Zeiten der DSGVO

Werbeerfolgsmessung wird in Zukunft schwierig. Das nehmen wir als wichtiges Learning mit auf den Weg zurück nach Leipzig. Egal, ob Cookies, Fingerprinting oder serverseitiges Tracking: Solange man mit personenbezogenen Daten arbeitet, besteht das „Problem“ des Datenschutzes. Und personenbezogen sind Daten auch, wenn sie gehasht werden. Denn IDs müssen erst einmal zugeordnet werden und dieser Zuordnungsprozess ist nach wie vor personenbezogen. Obgleich so nur die Nutzung von Cookies aktuell durch Browser-Policies unter Druck steht (Stichworte ITP & ETP), wird durch die DSGVO jedwedes Tracking infrage gestellt.
Web-Analysten können jedoch aufatmen: Reine Website-Analyse kann auf die personenbezogenen Daten verzichten. Site on Page und Page Visits müssen nicht einem spezifischen Klick zugeordnet, sondern nur gezählt werden. Schwieriger wird es aber für diejenigen, die den verschiedenen Akquisitionskanälen konkrete Handlungen zuordnen wollen – nämlich Käufe, Newsletter-Abonnements oder sonstige Aktionen. Denn so wird aus dem einfachen Klick auf beispielsweise eine Suchanzeige der Einkauf von Anna Schmidt-Müller für 123,-€, die nach einer Zeit von 2,5 Tagen nach Klick auf die Anzeige tatsächlich gekauft hat.
Google wiederum zieht sich aus diesem Einkauf die Signale zur Profilbildung. Diese Profilbildung durch Drittanbieter ist das essenzielle Problem, denn nur durch Websitedaten aller Werbetreibenden sammelt Google die nötigen Signale, um die Werbeauslieferung (nicht nur reines Remarketing) erfolgreich zu gestalten.
Die Lösung des Problems ist die aktive Zustimmung der Nutzer zum Tracking. Diese darf nicht vorausgesetzt werden (Auto-Opt-in), sondern muss eben aktiv erfolgen. Der Otto-Normal-Nutzer ignoriert solche Aufforderungen, solange es geht. Um Google Ads-Daten immer noch in einem genügend großen Umfang zu erhalten, müssen kreative Opt-in-Lösungen her. Im Panel wurden (teilweise fragwürdige) Lösungen besprochen, z. B. die der Lufthansa, von Adidas oder standard.at. Die Zukunft der Werbeerfolgsmessung wird aber vermutlich von der Kreativität der Werbetreibenden abhängen, wie sie einerseits der DSGVO Genüge tun und andererseits ihr Werbetracking für den User attraktiv genug gestalten, dass sie diesem zustimmen, à la „10 % Rabatt für deine Newsletteranmeldung“.

Besser als Googles Fullistic Approach? Optimierung nach Entitäten anstatt auf Keywords!

Ist Googles Automatisierung wirklich immer die beste Lösung für das eigene Geschäftsmodell? Diese Frage stellte sich About You mit Aufkommen des Google Fullistic Approaches. Zusammen mit Thomas Ziegler von adSoul und Florian Nottorf von Adference wurde also ein eigener Ansatz entwickelt, um die conversionstarken Mid- und Longtail-Keywords nicht aufgrund des großen Suchvolumens des Shorttails im Fullistic Approach zu verlieren.
Das Setup: Die gesamten Niederlande wurden in zwei gleich starke Regionen untergliedert, für die zwei getrennte Konten betrieben wurden – eines basierend auf der Google Ziel-ROAS Strategie, das andere mithilfe des neu entwickelten Entitäten-Ansatzes. Dieser leitete aus den verschiedenen Entitäten der riesigen About You-Keyword-Datenbank automatisiert Kampagnen ab. Mit Ad Text Templates wurden spezifische Suchanfragen besonders spezifisch abgefangen. Mithilfe des automatisierten Biddings von Adference, angepasst an die Entitäten, wurde das Kampagnenmanagement dennoch im Aufwand beschränkt.
Das Ergebnis: Im Ziel-ROAS-Konto wurden 1.100 Keywords in 27 Kampagnen bespielt, im Entitäten-Konto ganze 560.000 Keywords in 700 Kampagnen. Doch dieses granulare Setup scheint sich für About You auszuzahlen: Die Kosten-Umsatz-Relation des Entitäten-Kontos sei von Beginn an besser als die des Ziel-ROAS Kontos. Dieser Abstand verringerte sich zwar nach der anfänglichen Lernphase deutlich, doch die Lernphasen-Investition, die es bei Googles Fullistic Approach immer noch braucht, werde der Ziel-ROAS in der Gesamtrechnung nicht mehr aufholen können.
Bei den monatlichen Budgets, die About You zur Verfügung stellen kann, ist ein solches Setup mit Fokus auf dem Longtail sicher interessant. Doch für „kleinere“ Jahresbudgets unter 1 Mio. Euro ist der Erfolg dieses Ansatzes fragwürdig – da eben auch die Anfangsinvestitionen in die Tools von Adsoul und Adference erst einmal amortisiert werden müssen und Googles Algorithmen auch in den kommenden Monaten weiter dazu lernen werden. Dennoch ist interessant, dass mit dem richtigen Budget Individuallösungen trotz Fullistic Approach scheinbar immer noch Erfolgsaussichten haben.

CROntent – Bessere Nutzersignale, Conversion Rates UND Rankings auf Landingpages

Thomas Gruhle von LEAP/ wartete mit einigen SEO-Erkenntnissen zugunsten von SEA-Account-Managern auf. Da die User Experience heute zunehmend reines Keyword-Stuffing verdrängt, sollten Landingpages (genauso wie Textanzeigen) sowohl zugunsten der Nutzererfahrung als auch der Suchmaschinen gestaltet werden. Die Nutzersignale entscheiden letztlich, ob ein Suchergebnis in den Top-10-Positionen ausgespielt oder verdrängt wird.
Vor allem bei der Planung größerer Kampagnen ist es oft wichtig, Kunden bezüglich der Gestaltung ihrer Landingpage(s) aus SEA- und SEO-Sicht zu beraten. Viele Shopseiten sind noch immer so gestaltet, dass sich längere Texte am Seitenende befinden, wo sie nicht dem Nutzer, sondern allein der Suchmaschine nutzen können. Beim Thema Content solltet ihr euch vorerst die Frage stellen, ob er überhaupt notwendig ist. Je erklärungsbedürftiger ein Produkt ist, je mehr Kriterien den Kauf beeinflussen und je länger sich die Zeitspanne zwischen Erstkontakt und Kauf gestaltet, desto dringender wird Content benötigt. Er kann im besten Fall die Kaufeinscheidung solcher Nutzer positiv beeinflussen, die zwar ihr Problem kennen, aber noch nicht auf der Suche nach einem speziellen Produkt zu dessen Lösung sind.
Sichtbarkeit spielt eine große Rolle, wenn Texte nutzerrelevant sein sollen. Wichtig ist, Content im First View zu platzieren, sodass kein Scrollen nötig ist, um ihn zu lesen. Best Practice für transaktionelle Übersichtsseiten ist dabei, beispielsweise in einem Header über den ersten sichtbaren Produkten eine Kaufberatung anzuteasern, welche dann beim Klick auf eine Seite mit hilfreichem Content führt. Hier bietet es sich an, dem Kunden einen A/B-Test vorzuschlagen, sodass mehrere Arten von Headern ausprobiert werden können.
Wie sollte der optimale Content für transaktionelle Seiten nun aber aussehen? Fakt ist, dass Keywords eine weitaus geringere Rolle spielen als Headlines und Texte, die auf die Bedürfnisse des Nutzers eingehen. Dabei hilft es, sich in die Position eines potenziellen Käufers zu versetzen, um dessen Wünsche, Ängste und Werte nachvollziehen zu können. Thomas verriet in diesem Zusammenhang noch einen Geheimtipp: Um herauszufinden, welche Inhalte bei der Kaufentscheidung relevant sind, könnt ihr die Kundenrezensionen zu den drei am besten bewerteten, inhaltlich ähnlichen Produkten auf Amazon scannen. Gesetzt dem Falle, dass es sich hier um reale Bewertungen handelt, lassen sich die Informationen dann einteilen – nach Häufigkeit und danach, ob sie eine emotionale oder rationale Ebene ansprechen. In Hinblick darauf, ob eine Kaufentscheidung in der jeweiligen Branche eher aus dem Bauchgefühl heraus oder nach langer Recherche getroffen wird, fällt es so leichter, treffende Kriterien in die Texte aufzunehmen.
Zusätzlich hilft es, Triggerwörter zu finden, die Käufer direkt ansprechen. Welche Ausdrücke motivieren zur näheren Beschäftigung mit dem Produkt oder gar zum Kauf? Welche Textbausteine, welche Tonalität, welche Sprachebene ist passend? Hier ist es empfehlenswert, sich intensiver mit Personas oder ebenjenen Kundenrezensionen auseinanderzusetzen. Auch wenn euch als SEA-Account-Managern nur eine begrenzte Einflussnahme bei der Gestaltung von Landingpages möglich sein sollte, sind Thomas‘ Einsichten relevant – in Bezug auf eine umfassende Beratung genauso wie beim Verfassen eurer eigenen Anzeigentexte. Denn auch hier gilt: Ihr schreibt für den Nutzer, nicht für die Suchmaschine. Vor allem beim Aufsetzen großer, grundlegender Kampagnen kann eine aufwendigere Recherche nützlich sein. Mehr Tipps dazu könnt ihr im Artikel von Annalena nachlesen.

Ausnahmesituationen – Prime Day, Black Week, XMAS: Was verraten die Daten über die Shopping-Blasts des Jahres?

Passend zu all den Ausnahmesituationen, die uns in Q4 immer wieder aufs Neue begeistern, präsentierte Mareike Geidies von Adference ihre – auf Google Ads übertragbaren – Learnings von Amazon. Am Beispiel verschiedener Händler zeigte sie, wie divers die Performance sich während solcher Shopping-Blasts entwickeln kann. Hier ist nicht nur die jeweilige Branche entscheidend, sondern auch die Dauer des Angebots und das Nutzerverhalten.
Bei den Prime Days zeigte sich beispielsweise, dass die Umsätze ausschließlich am 15. und 16.07. deutlich erhöht waren. Liefen die Kampagnen in der Prime Week danach auf dem gleichen kostspieligen Level weiter – in der Hoffnung, vom erhöhten Traffic der beiden Tage zu profitieren – zeigte sich, dass der Umsatz trotz weiterer Angebote stark sank. Solche Ergebnisse sind nicht nur für Amazon relevant, sondern zeigen sich häufig auch bei Google Ads. Da höhere Budgets zur Bewerbung von Spezialaktionen aber unumgänglich sind, dauert es oft eine Weile, bis sich das Kosten-Umsatz-Verhältnis wieder erholt. Hier kann es hilfreich sein, für Rabattaktionen eine bestehende Kampagne zu nutzen, sodass der Algorithmus mit historischen Werten arbeiten und sich auch nach einer kurzzeitigen Budgeterhöhung und -senkung wieder regulieren kann.
Neben ähnlichen Auswertungen der Kampagnen zum Black Friday argumentierte Mareike auch für und gegen die Teilnahme an dem Rabatt-Event an sich. Bietet ein Händler High-Involvement-Produkte an, die komplex und teuer sind und eine lange Kaufentscheidung voraussetzen, kann er von einer Teilnahme profitieren, da die erhöhte Anzahl an Sales die zusätzlichen Werbekosten häufig übertrifft. Käufer sparen häufig auf solche Produkte und warten bewusst Rabattaktionen wie den Black Friday ab, um endlich zuzuschlagen. Eine Nicht-Teilnahme kann dem Händler sogar schaden, weil seine Angebote nicht die der sicher teilnehmenden Konkurrenz übertreffen können.
Händlern mit Low-Involvement-Produkten dagegen kann von einer Teilnahme an Shopping-Blasts abgeraten werden: Weil auch größere Rabatte den Preis von günstigen Alltagsprodukte nur minimal beeinflussen, besteht seitens des Käufers weit weniger Anreiz, Sparangebote zu nutzen. Im schlechtesten Falle würde sich der Händler so wertlosen Traffic teuer erkaufen, anstatt auf eine Teilnahme an der Rabattaktion zu verzichten und lieber vom kostenlosen organischen Traffic zu profitieren.
Den Halo-Effekt, auf den viele hoffen – also darauf, dass auch die Tage und Wochen rund um einzelne Aktionen zu einem erhöhten Umsatz führen – konnte Mareike nicht feststellen. Im Gegenteil zeigte sich, dass die Kauflust beispielsweise nach der Prime-Day-Zeit eher nachließ und unter das gewohnte Niveau sank. Käufer schlagen bereitwilliger zu, wenn sie die Sicherheit haben, an einem bekannten Rabatt-Tag ein Schnäppchen zu machen oder wenn sie unter Zeitdruck stehen. Danach ist ihre Nachfrage erst einmal gesättigt. So gilt auch für die gerade überstandene Weihnachtszeit, dass die Gebote ab dem Tag gesenkt werden sollten, wenn der Versand der Ware vor dem Fest nicht mehr garantiert werden kann. Eine aufmerksame Regulierung nach extremen Rabattaktionen ist in jedem Fall notwendig, um Einbrüchen im Umsatz vorzubeugen. Aber eure Konten sind bestimmt schon längst im Neujahrs-Urlaub – oder…? Und mit diesem netten Anstoß entlassen wir euch standesgemäß ins neue Jahr: Wir freuen uns auf neue Herausforderungen im SEA 2020, die wir gerne mit euch teilen werden!

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