
Mehr Freiheit für OpenAI und Kuschelzeit fürs Smartphone | Projecter Weekly #40 2025
Was Google da gerade im AI Mode macht, hätte uns zu Uni-Zeiten durchfallen lassen: Nämlich, sich selbst zitieren. Aufatmen kann der Suchmaschinenriese, wenn es um Trafficverluste durch KI geht: hier zeigt eine aktuelle Studie, dass LLM-Traffic bisher nicht mit der organischen Suche gleichziehen kann.
Diese Woche erfahrt ihr außerdem …
💶 wohin 2025 der Trend beim Bezahlen geht,
🛌 mit welcher Kampagne Ikea aktuell wieder im Gespräch ist,
🎃 und was ihr euch zum Thema Halloween anschauen solltet.
Entwicklungen & Trends
OpenAI regelt Partnerschaft mit Microsoft neu
Nach monatelangen Verhandlungen hat OpenAI seine komplexe Unternehmensstruktur neu geordnet und damit den Weg an die Börse freigemacht. Das KI-Unternehmen wird künftig als Public Benefit Corporation (PBC) geführt – eine Unternehmensform, die Profitstreben mit einem gemeinnützigen Auftrag verbindet. Microsoft hält nun 27 % der Anteile, was bei einer Bewertung von rund 500 Mrd. Dollar einem Wert von etwa 135 Mrd. Dollar entspricht – nahezu das Zehnfache seiner ursprünglichen Investition. Die neu gegründete OpenAI Foundation behält 26 % der Anteile und die Mehrheit der Stimmrechte, um den gemeinnützigen Auftrag zu sichern.
Gleichzeitig erhält OpenAI durch die neue Struktur mehr Freiheit, Kapital einzusammeln und strategische Partnerschaften einzugehen. Microsoft bleibt wichtiger Technologiepartner, verliert aber seine Exklusivrechte im Cloud-Bereich und teilt sich künftige KI-Modelle unter klar definierten Bedingungen. Beobachter*innen werten die Einigung als Balanceakt zwischen kommerziellem Wachstum und ethischer Verantwortung – und als entscheidenden Schritt hin zu einem möglichen Börsengang von OpenAI.
45 % aller News-Anfragen in KI fehlerhaft … oder nicht?
Eine groß angelegte internationale Studie unter Federführung der BBC und der European Broadcasting Union macht gerade Schlagzeilen, denn die Forscher*innen kamen zu dem Schluss, dass KI-Assistenten in 45 % der Fälle Nachrichteninhalte fehlerhaft wiedergeben – unabhängig von Sprache, Land oder Anbieter. Untersucht wurden über 3.000 Antworten von ChatGPT, Copilot, Gemini und Perplexity, bewertet nach Kriterien wie Genauigkeit, Quellenangabe und Kontext. Besonders schlecht schnitt dabei Gemini ab, größtenteils wegen fehlender Quellenangaben. Das liest sich erstmal schockierend, auch wenn die Gefahr von Halluzinationen bei LLMs bekannt und nicht neu ist.
Aber zur Einordnung: Ole Reissmann von The Future weist darauf hin, dass die Methodik der Studie kritisch zu betrachten ist. Viele der getesteten Fragen seien untypisch formuliert, teils wurden technische Einschränkungen der Assistenten umgangen, und die getesteten Modelle (u. a. GPT-4o) sind inzwischen veraltet. Neuere Versionen wie GPT-5 liefern laut Nachtests deutlich verlässlichere Ergebnisse. Die etwas reißerische Zahl von 45 % Fehlerquote lässt sich also eher nicht halten. Unseren Erfahrungen nach sind alle getesteten LLMs sehr brauchbare und hilfreiche Recherche-Tools, sofern man die Ergebnisse kritisch einordnet und HI (Human Intelligence) mitlaufen lässt.

Wenn die KI schleimt und Nutzer*innen Psychosen entwickeln
Zahlen gibt’s diesmal auch wieder von OpenAI: Das Unternehmen hat erstmals veröffentlicht, wie viele Menschen ChatGPT in psychischen Krisen nutzen – und die Dimension ist alarmierend: Laut eigenen Schätzungen zeigen wöchentlich rund 560.000 Nutzer*innen Anzeichen von Psychosen oder Manie, 1,2 Mio. äußern Suizidgedanken und ebenso viele entwickeln emotionale Abhängigkeit von der KI.
OpenAI betont, man habe GPT-5 mithilfe von über 170 Psychiater*innen und Ärzt*innen weltweit überarbeitet, um Krisensituationen besser zu erkennen und auf Betroffene empathischer zu reagieren, ohne deren Wahnvorstellungen zu verstärken. Laut eigenen Tests habe sich die Zahl „unangemessener Antworten“ um bis zu 65 % verringert.
Doch Expert*innen sehen darin keine Entwarnung, sondern eher ein erstes Eingeständnis, dass die Interaktion mit KIs wie ChatGPT längst reale psychische Risiken birgt. Der Social Media Watchblog spricht von einem „gigantischen Sozialexperiment mit ungewissem Ausgang“. Kritiker*innen wie der frühere OpenAI-Sicherheitschef Steven Adler bemängeln zudem, dass Vergleichswerte oder unabhängige Kontrollen fehlen – unklar bleibt also, ob sich die Lage tatsächlich verbessert hat oder nur besser aussieht.
Parallel zeigen neue Studien von Stanford und Carnegie Mellon, dass Sprachmodelle dazu neigen, Nutzer*innen zu schmeicheln und moralisch zu bestätigen („Sycophancy“ genannt, auf Deutsch „Schleimerei“ oder „Kriecherei“), was problematische Verhaltensmuster verstärken kann – bis hin zu Realitätsverlust oder Abhängigkeit.
Nur Bares ist Wahres: 2025 endlich nicht mehr die ganze Wahrheit
Unsere skandinavischen Kolleg*innen bei Obsidian Digital schütteln ja jedes Mal den Kopf, wenn sie in Deutschland zu Besuch sind und beim Bäcker und anderen Gelegenheiten Bargeld benötigen. Wir können uns nicht daran erinnern, bei unseren zahlreichen Besuchen in Dänemark jemals Kronen zum Anfassen benötigt zu haben. Ganz langsam ist aber Besserung in Sicht, denn die Allensbach-Studie 2025 zum Bezahlverhalten in Deutschland zeigt: Zum ersten Mal seit Beginn der Erhebung zahlen mehr Menschen mit Karte (47 %) als bar (41 %).
Besonders stark wächst der Trend zum kontaktlosen und mobilen Bezahlen – jede vierte Person hat bereits mit Smartphone oder Smartwatch bezahlt, bei den Unter-30-Jährigen sogar fast jede Zweite. Parallel dazu wünschen sich 42 % der Befragten eine gesetzliche Pflicht zur Kartenakzeptanz, und rund ein Drittel meidet inzwischen bewusst Geschäfte, die nur Bargeld nehmen. Auch beim Einkaufen selbst verschiebt sich das Verhalten: Jede*r Zweite möchte künftig lieber an Selbstbedienungskassen zahlen, meist bargeldlos. Trotz dieser Dynamik bleibt die Girocard das wichtigste Zahlungsmittel der Deutschen – 77 % glauben, dass sie auch in fünf Jahren noch dominieren wird.

Bemerkenswert ist zudem das gestiegene Bewusstsein für digitale und europäische Souveränität: Sechs von zehn Deutschen halten ein europäisches Bezahlsystem für wichtig, um unabhängiger von US-Anbietern wie Mastercard, Visa oder Apple Pay zu werden. Der Wandel hin zum bargeldlosen Bezahlen ist also nicht nur bequem, sondern auch politisch aufgeladen – zwischen Alltagspraktikabilität, Datenschutz und digitaler Eigenständigkeit.
Elon Musk launcht Grokipedia, keine Pointe
Nachdem wir letzte Woche darüber berichteten, dass Wikipedia mit abnehmendem Traffic zu kämpfen hat, liest sich diese Nachricht hier wie ein schlechter Witz. Elon Musks neuestes Brainchild ist ein KI-generiertes Nachschlagewerk namens … Grokipedia. xAI preist das ganze als eine „ehrlichere“ Alternative zu Wikipedia an. Der Start verlief allerdings holprig: Serverprobleme, teils fehlerhafte Einträge und – ziemlich peinlich – viele Artikel scheinen direkt aus Wikipedia kopiert zu sein. Ganz neu ist das Wissen also nicht. Dazu kommt Kritik an möglichen politischen Schlagseiten in einzelnen Themenfeldern.
Suchmaschinen
Googles Lieblingsquelle (Überraschung): Google
Nach dem Start des KI-Modus in Deutschland hat sich Sistrix angeschaut, welche Websites Google als häufigste Quellen nennt. Und scheinbar vertraut sich Google hier selbst am meisten. Denn mit 40 % und 31,7 % sind YouTube und Google selbst die meistgenannten Websites und sind damit noch weit vor Wikipedia, das mit 17,8 % den dritten Platz belegt. Danach folgt ein Mix aus großen eCommerce-Seiten (wie Amazon, ebay oder Otto) und sozialen Netzwerken (wie Reddit, Facebook oder Instagram). Der prozentuale Unterschied ist hier sehr schnell jedoch sehr marginal.
Googles große Präsenz hat wohl zwei Gründe: Zum einen spielt der KI-Modus wohl gerne unterstützende Videos aus und nutzt dafür (wenig überraschend) YouTube als Quelle. Für viele Anfragen stellt der KI-Modus zum anderen eine Übersetzungsfunktion mit bereit. Auch hier nutzt Google seinen eigenen Dienst. Ansonsten ist die Liste aktuell wenig überraschend und überschneidet sich auch mit den insgesamt sichtbarsten Seiten im deutschen Google-Index.
Dennoch scheint der KI-Modus von Google deutlich anders zu starten als vor wenigen Monaten in den USA. Auch damals analysierte Sistrix die Top-Quellen kurz nach dem Start. Hier war Wikipedia mit 12 % Spitzenreiter und das Feld danach wurde sehr schnell sehr zersplittert. Zu den Spitzenreitern zählten hier neben Google und YouTube auch diverse Datenbanken wie Fandom, ImDb oder auch Britannica. E-Commerce-Seiten ließen sich erst ab Rang 12 mit Amazon finden.
Und apropos Google KI: Weniger gruselig als so manche vorherige News, aber umso unterhaltsamer zum Ausprobieren hat das Unternehmen jetzt Tipps und Prompts zum Erstellen von spooky Bildcontent mit VEO3, Nano Banana & Co. veröffentlicht. 🎃

LLMs vorerst doch keine Google-Killer?
Eine aktuelle E-Commerce-Studie zeigt, dass Traffic von Large Language Models (LLM), wie ChatGPT, bei wichtigen finanziellen Kennzahlen deutlich hinter traditionellen Kanälen zurückbleibt. Lediglich Paid Social Media wird in Bezug auf die Konversionsrate und den Umsatz pro Sitzung übertroffen. Obwohl die Absprungraten niedrig sind, was auf passende Inhalte hindeutet, wird wohl LLM-Traffic kurzfristig nicht mit der organischen Suche gleichziehen können. Für Marketer bedeutet das, dass bei dem ganzen Hype um KI klassische Kanäle nicht aus dem Fokus geraten sollten.
Social Media
Der TikTok-Deal ist wohl in den letzten Zügen
Das Thema zieht sich und begleitet uns nun bald ein Jahr: die Debatte um das TikTok-Verbot in den USA und damit einhergehend der Verkauf des TikTok US-Geschäfts. Medien berichten nun, dass der TikTok-Deal zwischen den USA und China jetzt finalisiert wird. Donald Trump und Xi Jinping sollen die Vereinbarung noch in dieser Woche offiziell bekannt geben. Das Abkommen sieht vor, dass US-Investoren künftig die Mehrheit an TikTok übernehmen, während der Mutterkonzern ByteDance nur noch rund 20 % der Anteile hält.
WhatsApp zieht die Reißleine bei KI-Bots
Mitte Oktober hat WhatsApp seine Business-API-Richtlinien geändert und allgemeine KI-Chatbots auf der Plattform verboten. Davon betroffen sind WhatsApp-basierte Assistenten von Unternehmen wie OpenAI und Perplexity. Die neuen Regeln treten am 15. Januar 2026 in Kraft und legen fest, dass Meta Anbietern von KI-Modellen nicht erlaubt, ihre KI-Assistenten über WhatsApp zu vertreiben. Von den Regelungen ausgenommen sind spezialisierte Bots, die etwa im Kunden-Support von Unternehmen eingesetzt werden und deren KI-Funktion lediglich sekundär eingesetzt wird. Mehr dazu könnt ihr auf TechCrunch nachlesen.
Gute Nacht, Smartphone!
Ihr habt das Scrollen auf Social Media vor dem Schlafengehen satt und wollt schon lange nicht mehr so genau wissen, wie viel Zeit ihr pro Tag auf den Plattformen verbringt? Ikea hat sich jetzt etwas Neues einfallen lassen: die „Phone Sleep Collection“ mit Mini-Ikea-Betten für Smartphones – inklusive NFC-Chip, der misst, ob das Gerät wirklich Pause macht.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten läuft derzeit die Aktion, dass Nutzer*innen, die ihr Handy sieben Nächte lang sieben Stunden in den Betten ruhen lassen, mit Gutscheinen belohnt werden. Dieses „Digital Detox Marketing“ zeigt wieder mal, wie clever Ikea seine Produkte mit dem aktuellen Zeitgeist kombinieren kann.
Lesetipps & Empfehlungen
This is Halloween – PJ Weekly Edition 🎃
Passend zum Thema der Woche können wir euch wieder ein paar Links empfehlen:
- Sinister oder Shrek? Top-Filme für Halloween: Laut dem Science of Scare Project, einer jährlich durchgeführten, britischen Studie, ist „Sinister“ der schlimmste Horrorfilm aller Zeiten. Die Studie misst bei 250 Proband*innen die Herzfrequenz beim Schauen von Horrorfilmen und bildet daraus den sogenannten „Scare Score“ zwischen 0 und 100 – Mit 96 ist Sinister seit 2020 auf Platz 1. Wer es weniger scary zu Halloween mag, kann auch den Kontrollfilm schauen: Shrek hat im Vergleich einen (Un)Scare Score von 3. 😉
- Louvre has left the chat: Die deutsche Firma Böcker Maschinenwerke hat nach dem Einbruch im Pariser Louvre eine einmalige Marketingmöglichkeit gewittert: Denn ihre Krantechnik wurde von den Einbrechern benutzt. Außerdem ist das Kronjuwelen-Einbrecher-Outfit in diesem Jahr wahrscheinlich das beliebteste Halloween-Kostüm.
- Und hier könnt ihr nachlesen, warum die schwarze Katze zu einem der populärsten Symbole für den gruseligsten Tag des Jahres geworden ist.






