Ministerin Sunshine? Wenn die KI regiert | Projecter Weekly #34 2025
Gemini ist dank Nano Banana jetzt die KI Nr. 1 im App Store und nun wissen wir auch mehr über die typischen Nutzer*innen von ChatGPT. Der Einfluss von Discord und Social Media allgemein auf die Proteste von Nepal bekommt unserer Meinung nach aktuell zu wenig Aufmerksamkeit – darum mehr dazu in dieser Ausgabe.
Diese Woche erfahrt ihr außerdem …
☀️ welche Aufgabe „Diella“ in Albanien übernehmen soll,
🤝 welche Updates es zum TikTok-Verbot in den USA gibt,
📉 wie wir die Rankingverluste in SEO-Tools bewerten.
Entwicklungen & Trends
Marktumschwung: Google Gemini überholt ChatGPT (zumindest im App Store)
Googles Gemini‑App hat sich in Apples App Store an die Spitze gesetzt – angetrieben vom viralen Bild‑Feature „Nano Banana“ (offiziell: Gemini 2.5 Flash Image). Das Modell liefert sehr konsistente Bildbearbeitung/‑generierung und befeuert damit Downloads und Social Buzz; Google hat die Neuerung offiziell im Entwickler‑ und Produktblog beschrieben.
Gleichzeitig bleibt ChatGPT bei den Gesamterlösen und kumulierten Downloads weiter die Referenz im Mobile‑Bereich – Appfigures beziffert den Consumer‑Umsatz der ChatGPT‑App inzwischen auf rund 2 Mrd. Dollar. Die Platzierungen im Google Play Store schwanken je nach Land; kurzfristige Charts sind daher mit Vorsicht zu lesen.
Der Nutzungs‑Peak kommt vor allem aus kreativen, gut teilbaren Visual Use Cases – Features, die „zeigen statt erzählen“, treiben derzeit App‑Adoption. Für OpenAI ist das ein Weckruf auf der Consumer‑Schiene, während es im Bereich Monetarisierung aber vorerst den Vorsprung behält. Anmerkung der Redaktion: Bei den horrenden Kosten, die ChatGPT verschlingt, ist das allerdings auch nötig.
Oracle landet 300-Milliarden-Deal mit OpenAI – und die Börse freut sich
OpenAI hat gerade einen Cloud-Infrastruktur-Deal mit Oracle im Wert von 300 Milliarden Dollar abgeschlossen. Damit will sich das Unternehmen strategisch unabhängiger von Microsoft aufstellen und den steigenden Rechenaufwand eigener Modelle abdecken. Parallel dazu baut Microsoft seine KI-Partnerschaften weiter aus und integriert erstmals Lösungen der OpenAI-Konkurrenten wie Anthropic in seine Produkte – die Marktstruktur wird dadurch offener und diversifizierter.
Die Auflösung exklusiver Partnerschaften und der Ausbau eigener KI-Infrastruktur zeigen, wie stark sich der Sektor verändert. Unternehmen könnten künftig von mehr Auswahl und Wettbewerb profitieren, da der „Single Vendor Lock-In“ offenbar eine Sackgasse war. Besonders profitiert auch Oracles Börsenwert (der mal eben 200 Mrd. Dollar nach oben ging) und der das Narrativ von der KI-Bubble befeuert.
ChatGPT Nutzungsmuster: Privat, weiblich, GenZ
Laut einer umfassenden OpenAI-Nutzungsstudie (Mai 2024 bis Juni 2025) stammen fast 75 % der Konversationen aus nicht-beruflichen Kontexten – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr (53 %). Analysiert wurden dafür fast 1,5 Mio. Konversationen. Besonders gefragt ist ChatGPT für Nachhilfe, praktische Anleitungen und Hilfestellung beim Schreiben, wie auch eine Analyse deutscher Nutzer*innen unterstreicht. Unterstützung beim Programmieren hat nur einen Anteil von 4 %, wohl auch, weil ChatGPT hier nicht das präferierte LLM ist.
Die Mehrheit der Nutzer*innen ist zwischen 18 und 25 Jahre alt, die Frauen sind in der jüngsten Analyse leicht in der Überzahl, und die Plattform wird zunehmend als Alternative zur klassischen Websuche verwendet. Ergänzende Studien von Anthropic zeigen globale Unterschiede bei der Nutzung: Während in einkommensstarken Ländern Claude häufiger für Arbeits- und Lernzwecke eingesetzt wird, nutzen Menschen in einkommensschwachen Regionen KI-Tools vermehrt zur Automatisierung von Aufgaben und zur Effizienzerhöhung.
Besonders spannend: Eine weitere Studie zeigt, dass GenZ-Mitarbeitende in Unternehmen die Innovationstreiber in Sachen KI sind, „AI Literacy“ vorantreiben und ihre älteren Kolleg*innen motivieren, die neuen Tools auszuprobieren. Das heißt im Umkehrschluss, dass Unternehmen mit einem geringeren Altersdurchschnitt oder einer durchlässigeren Kultur, die „AI Champions“ zulässt und fördert, sich bei der Transformation und Anpassung ihrer Geschäftsmodelle deutlich leichter tun dürften.
„Diella“, die Sonne, soll in Albanien als KI-Ministerin Korruption bekämpfen
In Albanien ist die virtuelle Ministerin „Diella“ als KI-generiertes Regierungsmitglied vorgestellt worden. Die Regierung verspricht sich davon größere Transparenz und effektive Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Beschaffung. In Medien und sozialen Netzwerken herrscht jedoch Skepsis bezüglich der tatsächlichen Auswirkungen und der Möglichkeit, politische Probleme rein technisch zu lösen.
Die Einführung einer „KI-Ministerin“ dürfte wohl primär ein symbolträchtiges Experiment für den Einsatz von KI in der Verwaltung sein, und zudem ein starkes Signal in Richtung EU, dass Albanien es ernst meint mit der Bekämpfung der Korruption in der öffentlichen Verwaltung.
Regierungssturz und blutige Proteste in Nepal … unterstützt von Discord
Der Auslöser der massiven Proteste Anfang September in Nepal war ein vom Obersten Gericht bestätigtes Totalverbot von 26 Social‑Media‑Plattformen, darunter Facebook, WhatsApp und Discord – offiziell begründet mit nationaler Sicherheit und fehlender Regulierung. Binnen kurzer Zeit eskalierte die Lage dramatisch: Es kam zu Dutzenden Todesopfern, brennenden Regierungsgebäuden und letztlich zum Rücktritt des Premierministers – woraufhin die Regierung das Social-Media-Verbot wieder aufhob.
Besonders bemerkenswert ist die Rolle von Discord: Die Plattform wurde zum zentralen Knotenpunkt für Koordination und Abstimmungen der größtenteils jungen Generation-Z-Protestbewegung. Klassische Institutionen – Parteien, Medien, Behörden – konnten mit dieser Taktfrequenz kaum Schritt halten.
Die Informationsflüsse und Debattenstrukturen vor Ort wurden durch das Verbot und dessen Umgehung binnen weniger Tage tiefgreifend umgestaltet. Auf Discord und ähnlichen Kanälen entstanden neben neuen Informationsräumen und zivilgesellschaftlichen Foren, auch neue Wege für Desinformation und Propaganda. Vom blutig fehlgeschlagenen Versuch, Social-Media-Inhalte (z. B. über Korruption und Luxus Lifestyle von Regierungsangehörigen) durch Verbote unter Kontrolle zu bringen, zum Regierungssturz in 30 Stunden und einer mehrheitlich jungen Zivilgesellschaft, die sich auf Discord organisiert – in jedem Fall eine Reihe von Ereignissen, die deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient, als es derzeit der Fall ist.
Suchmaschinen
Bald mehr Transparenz bei Anzeigenpreisen?
Sowohl Google Ads als auch Amazon Ads stehen aktuell im Fokus von Ermittlungen der Federal Trade Commission, einer US-Behörde, die Konsument*innen schützen und Wettbewerb fördern soll. Google Ads muss Rede und Antwort zu seinem internen Prozess rund um Anzeigenpreise und zur Frage stehen, ob Anzeigenpreise angehoben wurden, ohne Werbetreibende zu informieren. Bei Amazon Ads wird untersucht, ob der Suchmaschinengigant die Mindestpreise für die Anzeigenschaltung an Werbetreibende kommuniziert hat.
SEO Tools zeigen aktuell massive Rankingverluste an: Was bedeutet das für Marketer?
„Seit Ende letzter Woche zeigen quasi alle SEO-Tools, welche die organischen Rankings einer Domain beobachten, teils massive Rankingverluste an. Ursache dafür ist dieses Mal kein Google-Update, sondern eine eher technische Anpassung in der Google-Suche. Denn ohne Ankündigung stellte Google Ende vergangener Woche in der Suche den Parameter num=100 ein. Damit konnte man sich die 100 organische Ergebnisse der Google-Suche quasi auf einer Seite anzeigen.
Genau dieser Parameter ist (bzw. war) für fast alle SEO-Tools die Möglichkeit, um mit vergleichsweise überschaubaren Ressourcen die aktuellen Rankings zu einem Keyword zu erfassen. Ohne diesen Parameter sind nun statt einer Abfrage zehn Abfragen seitens der Tools notwendig, um die Top-100-Rankings eines Keywords zu erfassen. Das macht das gesamte Rankingtracking nicht nur unweit komplizierter, sondern für die Toolanbieter auch ungleich teurer. Da diese Änderung durch Google ohne jegliche Ankündigung erfolgte, konnten die Toolanbieter nicht wirklich darauf reagieren. Deshalb spielen die Zahlen momentan verrückt und sind auch nur mit Vorsicht zu genießen. Ob und wie die Toolanbieter darauf sinnvoll reagieren können, wird sich zeigen.
Was bedeutet das für Marketer? Das Rankingtracking jenseits der Top 10 ist aktuell nur bedingt möglich und die Zahlen für aktuelle Rankings und Impressionen sind nicht mit Vorjahres- oder Vormonatszeiträumen zu vergleichen. Aber: das Ganze hat keine Auswirkung auf den Traffic. Es ist aktuell nur ein Messproblem. Die tatsächlichen Klicks, die bspw, über die Google Search Console erfasst werden, sind davon unabhängig. Die Rankings sind weiterhin da, aber können momentan fernab der Top 10 nicht wirklich zuverlässig erfasst werden. Aufgrund dieser Änderung von Google müsst ihr euch keine Sorgen um Trafficverluste machen.“
Und noch ein Lesetipp …
Der aktuelle „State Of SEO“ des Search Engine Journals zeigt, wie Marketer Inhalte skalieren, KI einsetzen und die Autorität stärken, um auch 2026 nachhaltige Ergebnisse zu erzielen.
Social Ads
Auch in den Socials ist mehr Transparenz gefordert
Ab dem 10. Oktober 2025 treten in der EU neue Transparenzregeln für politische Werbung in Kraft. LinkedIn passt seine Plattform entsprechend an: Alle Werbetreibenden, die Kampagnen mit Targeting in der EU schalten, müssen zukünftig im Campaign Manager eine Selbst-Deklaration abgeben, ob ihre Anzeige als politische Werbung gilt. Dies ist eine direkte Folge der EU-Verordnung 2024/900, die strengere Vorschriften für Targeting und die Finanzierung von politischer Werbung einführt, um mehr Transparenz zu schaffen.
Social Media
Einigung in Sicht beim TikTok Deal?
Amerikanische und chinesische Unterhändler haben nach langen Verhandlungen und vielen Aufschüben jetzt wohl die Grundzüge eines Deals vereinbart, der den Streit um die Eigentumsverhältnisse der App endgültig beilegen soll. Laut dem US-Finanzminister Scott Bessent soll die Einigung in dieser Woche von Präsident Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping finalisiert werden.
Der Deal, der als Vereinbarung zwischen zwei privaten Parteien vonstattengehen wird, folgt auf ein Gesetz, das ein mögliches Verbot von TikTok in den USA vorsah. Präsident Trump hatte die Durchsetzung dieses Gesetzes jedoch mehrfach verschoben. Während Trump sich nach einer Reporterfrage äußerte, dass er noch nicht entschieden hätte, ob China weiter einen Anteil an der Firma haben werde, betonte ein chinesischer Vertreter derweil, dass China seine nationalen Interessen und die legitimen Rechte chinesischer Unternehmen schützen werde. Weitere Infos findet ihr im vollständigen Artikel von CBS News.
Webinar: Wie ihr eure B2B-Marke in den Socials stärkt
Gerade für B2B-Marken sind Kanäle wie LinkedIn ein zentraler Touchpoint, um Sichtbarkeit, Vertrauen und Leads aufzubauen. In dem Sinne empfehlen wir euch das kostenlose Webinar von elbdudler am 23. September um 10:00 Uhr: Unsere Kolleg*innen Torsten Wiesner, leitender Strategie-Geschäftsführer bei elbdudler, und Digitalstrategin Santana Beutter zeigen euch, wie ihr zeitgemäß und mit Nutzerzentrierung kommuniziert – jetzt anmelden. 👇
Lesetipps & Empfehlungen
Falls ihr noch ein paar Minuten übrig habt …
Heute haben wir einen „Anschau“-Tipp für alle, die sich etwas Einordnung und Überblick für die sich überstürzenden KI-News wünschen. Schaut euch entweder das etwas über eine Stunde dauernde Interview mit dem Tech-Analysten Benedict Evans an oder lest hier die Zusammenfassung. Spoiler: Nicht alle gehen mit seinen Analysen mit, wir finden sie eigentlich recht nachvollziehbar. Die allerwichtigsten Punkte:
- KI ist keine Zivilisationen verändernde Technologie, aber der größte Plattform-„Shift“ seit dem iPhone.
- Die KI-Adaption in der Gesellschaft ist kein Selbstläufer, viele Menschen haben große Probleme damit.
- Generative KI-Modelle werden in ganz viele Produkte bzw. Plattformen integriert werden, dabei ist es den Nutzenden dann völlig egal, welches LLM dem zugrunde liegt – die aktuellen Kämpfe am Markt sind also nur eine absolute Frühphase.